K.-H. Spiess (Hg.): Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters

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Titel
Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters.


Herausgeber
Spiess, Karl-Heinz
Reihe
Vorträge und Forschungen 71
Erschienen
Ostfildern 2009: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
392 S., 36 teilweise farbige Abb.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Eberl Immo

Der vorliegende Band geht auf eine Tagung des Konstanzer Arbeitskreises im Frühling 2005 zurück. Nachdem die Rolle der Familie in der heutigen Gesellschaft immer wieder hinterfragt wird, war eine Beschäftigung mit der mittelalterlichen Familie angebracht. Der erst seit dem 18. Jahrhundert im heutigen Sinn verwandte Begriff «Familie» hat für die vom Herausgeber für die Referate angeregte zentrale Stellung der «Kernfamilie» keinen gleichartigen Begriff im Mittelalter. Diese «Kernfamilie» gab es natürlich bereits in diesem Zeitraum, doch war sie in grössere Zusammenhänge eingebettet, wie Gesinde, Hofgesellschaft oder Verwandtschaftsverbände. Auch wenn heutige Vorstellungen nicht ohne weiteres auf das Mittelalter übertragen werden können, wird das emotionale Beziehungssystem zwischen Familienangehörigen als eine Konstante betrachtet, die sich von den Bindungen an das Gesinde, Hofleute und entfernte Verwandte unterschieden hat. Der Begriff «Kernfamilie» wird dabei vielfach kritisch betrachtet. Der Band umfasst nach der Einführung zehn Beiträge, die in einen zusammenfassenden Beitrag münden. Der Aufsatz von Matthias Müller behandelt die Hl. Sippe als dynastisches Rollenspiel und geht auf die familiäre Repräsentation in Bildkonzepten am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit beim Memorial- und Stifterbild ein. Die dem Beitrag beigefügten 26 Abbildungen unterstreichen die Ausführungen eindrücklich. Christian Kiening geht auf Familienromane und Heilsgeschichte ein, wobei auch hier die Haushaltsfamilie als moralische Institution mit einem starken Patriarchen an der Spitze erscheint. Cordula Nolte wendet sich der Familie im Adel zu und untersucht Haushaltsstrukturen und Wohnverhältnisse im Spätmittelalter. Gerhard Fouquet stellt stadtadelige Verwandtschaftsfamilien in deutschen Städten im Spätmittelalter vor, wobei er die sehr differenzierten Beziehungen, die das einzelne Verhältnis in der Allgemeinheit prägten, gut herausstellt. Werner Rösener behandelt die bäuerliche Familie des Spätmittelalters. Dabei stellt er den Zusammenhang der allgemeinen Entwicklung der Agrarwirtschaft in den Zusammenhang mit den bäuerlichen Familien- und Haushaltsstrukturen. Michael Mitterauer wendet sich der geistlichen Verwandtschaft im Kontext mittelalterlicher Verwandtschaftssysteme zu, wobei er deren Bedeutung aufzeigt. Klaus van Eickels stellt die «fraternitas» in den Mittelpunkt. Eva Schlotheuber behandelt Familienpolitik und geistliche Aufgaben anhand der Klosterfrauen und zeigt, wie die Konvente im klösterlichen Leben an die Stelle der Familie traten. Christian Lübke geht auf die Familie als Baustein für die Herrschaftsprogramme der Rjurikiden ein. Er geht dabei auf das 11. Jahrhundert und dessen Zeugnisse familiären Bewusstseins ein. Bernhard Jussen behandelt das Werk von Jack Goodys «The development of the family and marriage in Europe» von 1983 (übersetzt 1986) und seine Wirkung auf die Forschungsgeschichte. Es ist dabei interessant, dass dieses Werk im Unterschied zur angelsächsischen Forschung in Deutschland kaum Auswirkungen hatte. Ludolf Kuchenbuch sieht in seiner Zusammenfassung die Familie der Mediävistik zwischen den Verheirateten und ihren Verwandten in Alteuropa. Er zeichnet den Gang der Tagung nochmals nach, die zahlreiche wichtige Details der Forschung hervorgebracht hat. Die Zukunft auf diesem Gebiet fordert eine gemeinsame, rasch zu überblickende Untersuchung über die Gesamtzusammenhänge.

Zitierweise:
Immo Eberl: Rezension zu: Karl-Heinz Spieß (Hg.): Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters (Vorträge und Forschungen, Band 71). Ostfildern, Jan Thorbecke Verlag, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 60 Nr. 4, 2010, S. 504-505.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 60 Nr. 4, 2010, S. 504-505.

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